Allein schon mit der Überschrift das Photographen nicht filmen sollten, kann ich mir einiger Kommentare sicher sein. Trotzdem vertrete ich klar diese Einstellung. Aber woher kommt das?

Photografie und Film sind zwei verschiedene Gebiete

Es ist als wäre ich Rennfahrer, deswegen kann ich noch lange kein Auto bauen. Ähnlich verhält es sich zwischen Fotografie und Film, das statische Bild versus das Bewegtbild.

Ein guter Fotograf lernt in seiner Ausbildung und über Jahre der Erfahrung, wie beispielsweise Körperhaltung bei Portraits wirkt und was sie vermittelt. Er leuchtet bei der Produktfotografie jedes Detail genauestens aus und er arbeitet vorwiegend in einem kleinen Team. Das besteht meistens aus ihm, einem Assistenten und einer anderen Fachkraft wie zum Beispiel Food Designer, Make-up Artist etc.

Der Kameramann im Film, konzentriert sich dahingegen meist auf sein Spezialgebiet. In unseren Gefilden ist es das Bedienen der Kamera und vielleicht noch die vereinzelte Lichtsetzung. In Amerika ist es der DOP (Director of Photography). Er ist dagegen schon für weit mehr Bereiche verantwortlich, führt meist selbst gar nicht mehr die Kamera sondern ist der Supervisor und die Schnittstelle zwischen Beleuchter, anderen Kameramännern und -Assistenten und arbeitet eng mit dem Regisseur zusammen.

Bei großen TV- und Werbeproduktionen sind die Bereiche klar unterteilt

Oft gibt der Regisseur Anweisungen, wie er eine Szene gerne hätte. Der Oberbeleuchter und seine Beleuchter richten die Szene entsprechend ein und der Kameramann konzentriert sich auf Kameraeinstellungen, Wege der Schauspieler, Kamera- und Dolly-fahrten.

Dies alles sind Gebiete, die der Photograf gar nicht kennt und meist auch nicht gelernt hat. Der Kameramann muss oft schon weiter denken. An Anschlüsse (welche Szene, Einstellung folgt auf die nächste), Achssprünge, Kameraeinstellungen (wie komme ich von einer Totalen zu einem Close-up) etc.

Nun hat es aber die technische Entwicklung so wollen, dass in der Zwischenzeit jede Kamera und jedes Handy filmen kann und dies sogar teilweise mit mehr als 4K Auflösung. Was macht also der ambitionierte Photograph? Er montiert seine Kamera auf sein Stativ, kauft sich ein paar Lampen für Filmaufnahmen und schon geht es los. Im Anschluss wird das ganze noch eben geschnitten denn auch Schnittprogramme gibt es heute schon für ein paar hundert Euro wohingegen sie vor ein paar Jahren noch einige tausend Euro gekostet haben.

Unser ambitionierter Photograph vereint also die gesamte Filmcrew in einer Person. Den Regisseur, den Kameramann, den Fokus-Puller, den Dolly Grip und Oberbeleuchter, den Beleuchter, den Ton-Mann, den Cutter, den Post-Production Manager und wahrscheinlich auch noch den Music- und Special Effects Coordinator sowie den Title Designer. (Im übrigen alles Berufe für die es Ausbildungen gibt und die jahrelange Erfahrung benötigt). Das ist unmöglich in professioneller Weise zu realisieren (und ich spreche hier von High-End Broadcast Produktionen!).

Aber kann ein Kameramann dann photographieren?

In der Theorie ja! In der Praxis wage ich auch dies in Frage zu stellen. Der Kameramann kennt eine Welt im 16:9 Breitbild Format. Hochformat und 3:2 Format sind nicht teil seiner „optischen Welt“. Der Kameramann kennt auch kein Blitzlicht, seine Welt ist ein Dauerlicht und meist mehrere Kilowatt stark. Geben Sie einem Photographen ein Blitz in die Hand und er wird ihnen atemraubende Aufnahmen machen. Geben Sie einem Kameramann einen einzigen Schweinwerfer in die Hand und er wird die Arbeit niederlegen oder fragen wo die anderen sechs sind.

Das kommt nicht daher, dass der Kameramann nicht mit einem Scheinwerfer arbeiten könnte, das kommt daher, dass sein „Bild“ und sein Equipment viel mehr – und vor allem eine ganz andere – Ausleuchtung benötigen.

Von daher vertrete ich klar die Einstellung, jeder soll das tun, was er auch wirklich kann und nicht ins Handwerk des anderen pfuschen. Und ich spreche hier von High End Aufnahmen und nicht vom YouTube Video, einem Making off oder Schulungsvideo. Dies können sicherlich beide Parteien gleichermaßen gut. Und ja, wie in allen Bereichen gibt es sicherlich auch hier Ausnahmen.

Wie kommt er darauf?

werden sich jetzt sicherlich einige fragen. Meine These beruht auf Erfahrung! Ich habe während meiner Ausbildung zum Film- & Mediendesigner unter anderem 2 Semester Fotografie und 4 Semester Film studiert. Im Anschluss habe ich (nach einem Praktikum im Bereich Film-Licht-Technik) als Beleuchter, Oberbleuchter und Kamera-Grip gearbeitet. Das unter anderem bei Werbeproduktionen, TV-Spielfilmen und Musikvideos. Erst Jahre später habe ich mich für den Bereich der Fotografie entschieden. Ich kenne also beide Bereiche.

In meiner derzeitigen Tätigkeit habe ich viel mit Filmaufnahmen im Bereich der Food-Fotografie zu tun und hier bestätigt sich für mich der Umkehrschluss ebenso. Kameramänner sollten nicht fotografieren. Nicht weil beide (Kameramann und Photograph) es nicht können  sondern vielmehr weil beide viel zu sehr Spezialisten auf ihrem Gebiet sind und dies auch bleiben sollten.